Das Atelier 32 - Verein für Kunst und Kultur e.V. ist eine Gemeinschaft von aktuell 8 bildenden Künstlerinnen und Künstlern, der Marionettenbühne "Kassandra" sowie einem Kunsthistoriker, die in einem Atelierhaus auf der Schwäbischen Alb arbeiten. Alle Mitglieder und die Bühne verfügen über eigene Arbeits- und Lagerräume. Darüber hinaus stehen das Außenatelier, der Große Saal und allgemeine Flächen im Haus sowie der Außenbereich der Gemeinschaft und Gästen als Ausstellungsmöglichkeit, für Workshops und andere Veranstaltungen zur Verfügung. Eine kleine Küche sowie der Sanitärbereich werden gemeinsam genutzt. Das Atelier 32 wurde im Jahr 2000 gegründet.
Zur Geschichte:
Peter Barth
Die Haid – Kurzer Überblick über eine wechselvolle Geschichte
In der Phase der Kriegsvorbereitung erhoben hochrangige Militärrepräsentanten im Jahr 1938 beim damaligen Großengstinger Bürgermeister Anspruch auf den Gemeindewald für Zwecke der Luftwaffe. Dabei kam es zur Unterzeichnung eines vorbereiteten Vertrags. Schon kurz darauf begann, unter Geheimhaltung der geplanten Verwendung, die Rodung des ca. 140 Hektar großen Geländes. Bis zum Kriegsbeginn (1. September 1939) wurde hier eine der größten Munitionsanstalten (Muna) des Dritten Reiches fertiggestellt – mit Bunkern, Arbeits- und Lagerhäusern, Freilagerplätzen, Feuerlöschteich, Kantine, Kasino und Barackenunterkünften. Gelagert und montiert wurden alle Arten von Luftwaffenmunition. 400 Arbeiter (Reichsarbeitsdienst), eine unbekannte Zahl von Soldaten und drei Offiziere bildeten zunächst das Personal. Als sich ab 1940 der Krieg ausweitete und die bisher Beschäftigten zum Fronteinsatz kamen, wurden sie durch Zwangsarbeiter (deportierte Zivilpersonen, sog. Fremdarbeiter) und durch Kriegsgefangene ersetzt. Bis zu 300 Personen arbeiteten in den Muna-Anlagen, im Wald, im Steinbruch und in der Küche. Durch die versteckte Lage blieb die Muna lange von den Amerikanern unentdeckt. Erst kurz vor Kriegsende – ab Februar 1945 – erfolgten Luftangriffe, die aber zunächst nur geringere Schäden verursachten. Erst die Bombardierungen am 8. und 9. April 1945, an denen etwa 250 Flugzeuge beteiligt waren, hatten schwere Zerstörungen zur Folge. Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Wachpersonal konnten sich offenbar vorher in Sicherheit bringen. Nach der Bombardierung wurde versucht, die Reste der gelagerten Kampfmittel zu sprengen. Das gelang jedoch nur unzureichend.
Am 24. April 1945 besetzten die Amerikaner Engstingen und die Haid. Einen Monat später übernahmen die Franzosen die Besatzung von den Amerikanern. Auf der Haid kam es in der Folgezeit immer wieder zu unkontrollierten Explosionen. Das war möglicherweise der Grund, der die französische Besatzungsmacht veranlasste, das Gebiet 1948 dem Finanzministerium von Württemberg-Hohenzollern zu überlassen. Jetzt begann ein Kampfmittelbeseitigungsdienst mit der Bergung und Vernichtung noch vorhandener Munition. Gleichzeitig wurden die Hauptgebäude saniert, um eine Lungenheilanstalt einzurichten. 1950 nahm das Sanatorium etwa 180 Lungenkranke auf. Ende Juni 1953 schloss die Einrichtung jedoch wieder. Wenige Tage später quartierte das Umsiedlungsamt 400 Flüchtlinge, Vertriebene und Umsiedler aus den Ostgebieten ein. Später lebten hier bis zu 800 Frauen, Männer und Kinder. 1959 verließen die letzen von ihnen die Haid.
Parallel zur bisherigen Nutzung begannen 1956 Bauarbeiten für eine neue Kasernenanlage, die nach knapp zwei Jahren abgeschlossen waren. Im Februar 1958 übernahm die Bundeswehr das Areal der Haid mit Neubauten und noch vorhandenen Gebäuden aus nationalsozialistischer Zeit. Die neue militärische Einrichtung erhielt den Namen Eberhard-Finckh-Kaserne. Namensgeber war der im Zusammenhang mit dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler (20. Juli 1944) hingerichtete Oberst Eberhard Finckh. Als Nato-Mitglied wurde die Bundesrepublik verpflichtet, Nuklear-Gefechtsköpfe der US-Armee einzulagern. Ab 1967 bestanden Pläne für ein Sondermunitionslager mit der Bezeichnung „Golf“ auf der Haid. Im Frühjahr 1969 konnten die ersten Nuklar-Gefechtsköpfe in zuvor gebaute, spezielle Bunker eingelagert werden. Mitte der 70er Jahre folgten leistungsfähigere Nuklear-Raketen. Für die direkte Bewachung wurde amerikanisches Personal stationiert. Die Bundeswehr war für einen äußeren Bewachungsring zuständig.
Ausgelöst durch den sog. Nato-Doppelbeschluss (1979) und die 1983 erfolgte, offiziell geheim gehaltene Stationierung amerikanischer Pershing-Raketen, protestierte die Friedensbewegung immer wieder mit Straßenblockaden und Mahnwachen. Die letzte Mahnwache fand am 9. November 1992 vor der Eberhard-Finckh-Kaserne statt.
Die Abrüstung in Ost und West als Folge des Zerfalls der Sowjetunion und des Ostblocks brachte auch auf der Haid das Ende der Militäranlagen. Im Dezember 1993 verließ der letzte Soldat die Haid. Kurz zuvor hatte ein Kommandeur erstmals öffentlich zugegeben, dass auf der Haid Nuklear-Waffen gelagert waren. Nach einer langen Verhandlungsphase zwischen dem Bund und dem inzwischen gegründeten Zweckverband Gewerbepark Engstingen-Haid, übernahm dieser die Verwaltung des Areals. Nach und nach siedelten sich vor allem Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe an. Heute befindet sich hier auch das Notariat der Gemeinde Engstingen und die Verwaltung der Volksbank-Raiffeisenbank Alb. Ende des Jahres 2000 wurde der Kunst- und Kulturverein „Atelier 32“ gegründet, der inzwischen im vielfältigen Erscheinungsbild der Haid einen festen Platz eingenommen hat.
(Quellen: Jan R. Friederichs, Die Muna Haid in Engstingen, Reutlingen 2004; Joachim Lenk, Soldaten, Sprengköpfe und scharfe Munition – Militär am Einödstandort Engstingen 1939 bis 1993, Münsingen 2006)